Das Scheitern des Marktes – an der Sättigungsgrenze (Teil 1)

von Werner Vontobel

Wie tickt die Marktwirtschaft an – und jenseits der Sättigungsgrenze?

John Maynard Keynes ist an dieser Frage gescheitert. Seither wurde sie nie wieder gestellt. Unsere Marktwirtschaft ist sehr gut darin, immer noch mehr zu produzieren. Doch wie wird sie damit fertig, dass in nicht zu ferner Zeit die Sättigungsgrenze erreicht sein wird? Diese Frage stellte sich vor bald 90 Jahren der damals berühmteste Ökonom Keynes in seinem Aufsatz «Wirtschaftliche Möglichkeiten für unserer Enkelkinder». Heute wissen wir, dass die Marktwirtschaft diese Hürde gerissen hat. Doch wir wissen nicht warum. Deshalb mag es hilfreich sein, sich noch einmal in die Perspektive von Keynes zu versetzen.

Marktwirtschaft als inklusive Institution

Keynes ging davon aus, dass «bald ein Punkt erreicht sein wird, […], an dem diese Bedürfnisse in dem Sinne befriedigt sind, dass wir es vorziehen, unsere weiteren Kräfte nicht-wirtschaftlichen Zwecken zu widmen.» Und er fragt sich: «Wird dies eine Wohltat sein?» Das sei durchaus denkbar, räumt er ein, aber: «Dennoch denke ich mit Schrecken an die Umstellung der Gewohnheiten und Triebe des durchschnittlichen Menschen, die ihm über ungezählte Generationen anerzogen wurden, und die er nun in wenigen Jahrzehnten aufgeben soll.»

Es folgen mehrere Abschnitte, in denen sich Keynes nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in seiner eigenen Oberschicht in dieser Frage sehr pessimistisch zeigt. Etwa hier: «Für den durchschnittlichen Menschen ohne besondere Begabungen ist es eine beängstigende Aufgabe, sich selbst zu beschäftigen, besonders, wenn er nicht mehr mit der Heimat oder den Sitten und Gewohnheiten oder den geliebten Gepflogenheiten einer traditionellen Gesellschaft verwurzelt ist.»

Doch dann kommt plötzlich die Wende: «Ich bin sicher, dass wir mit ein wenig mehr Erfahrung die neugefundenen Gaben der Natur ganz anders nutzen werden als es die Reichen heute tun. Wir werden froh sein, dass wir kleine Pflichten, Aufgaben und Routinesachen haben. Aber darüber hinaus sollten wir uns bemühen, die Butter auf dem Brot dünn zu streichen − um die Arbeit, die dort noch zu tun ist, soweit wie möglich zu teilen. Mit Drei-Stunden-Schichten oder einer Fünfzehn-Stunden-Woche kann das Problem eine ganze Weile hinausgeschoben werden. Denn drei Stunden am Tag reichen völlig aus, um den alten Adam in den meisten von uns zu befriedigen!»

In der Rückblende fällt auf, dass Keynes offenbar nie daran gezweifelt hat, dass alle vom steigenden Wohlstand materiell profitieren werden. Seine Sorge galt bloß der Frage, ob alle damit vernünftig umgehen können. Zu Keynes Zeiten war Marktwirtschaft noch eine inklusive Institution, die – wenn auch manchmal mit Verzögerung – alle mitnahm. Ihr Ziel und Zweck war es, möglichst viel Wohlstand zu schaffen.

«Lieber kein Wohlstand als keine Arbeit»

Doch an der Schwelle der Sättigung hat die Marktwirtschaft offenbar ihr Vorzeichen geändert. Ihr neuer Zweck ist die Produktion von Arbeit für möglichst viele. Arbeit ist vom Produktionsfaktor zum wichtigsten Konsumgut geworden. Wenn heute eine Schuhfabrik gebaut wird, schafft das vor allem Jobs. Schuhe haben wir eh schon genug. Wichtig ist, dass der «alte Adam» in uns beschäftigt wird, egal womit.

Jenseits der Sättigungsschwelle gilt: «Lieber kein Wohlstand als keine Arbeit». Deshalb sahen sich Keynes Enkel genötigt, «Niedriglohnsektoren» einzurichten mit Lohneinkommen, von denen man sich kein Auto, kein Restaurant, keine Ferien, ja nicht einmal Internet leisten kann. Irgendetwas ist da gründlich schief gelaufen. Doch was genau? Welches Detail hat Keynes übersehen? Vielleicht kommen wir der Sache näher, wenn wir uns die Entwicklung seit 1930 noch einmal genauer ansehen.

In seinen rein ökonomischen Annahmen lag Keynes eigentlich gar nicht so falsch. Er schätzte den jährlichen Anstieg der Produktivität auf 1,4 bis 2,1%. Die meisten Länder haben diese Marke bisher übertroffen. Er sah voraus, dass wir auch in der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie große Fortschritte erreichen würden. Heute muss ein Schweizer im Schnitt pro Woche weniger als 3 Arbeitsstunden für die Ernährung aufwenden. Weitere 3 Stunden reichen für Wohn- und Straßenbauten und Gebäudeunterhalt. Auch die Aufwendungen für Schulung und Unterricht beanspruchen nicht mehr als 2 Arbeitsstunden. Stunden. Damit wäre mit 8 Arbeitsstunden wöchentlich schon mal ein rechter Teil des Grundbedarfs gedeckt. Rein rechnerisch her gesehen, wäre die 15-Stundenwoche wohl möglich gewesen.

Auch die Arbeitszeiten sind stark gesunken. In Deutschland etwa ist die Arbeitszeit pro Erwerbsperson (Beschäftigte plus Arbeitslose) seit 1950 um 44% geschrumpft. Auf 100 Jahre hochgerechnet entspricht dies einem Rückgang um 60%. Doch diese Zahl sagt wenig, denn hier werden Äpfel und Birnen, bezahlte und unbezahlte Arbeit, in einen Topf geworfen.

Konkurrenz zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit

Interessant aber sind gerade die Verschiebungen zwischen den beiden Kategorien. Damals haben sich Ehefrauen noch kaum am Erwerbsleben beteiligt. Ihr Arbeitsort war der Haushalt. Dafür haben drei andere Gruppen von nicht erwerbstätigen an Gewicht gewonnen: Die Rentner, die Jungen in Ausbildung und die Erwerbslosen. Gleichzeitig ist viel Arbeit vom unbezahlten in den bezahlten Bereich verschoben worden: Nahrung zubereiten, Kleider nähen, Kinder hüten, Kaninchen züchten. Auch die Unterhaltung wurde weitgehend kommerzialisiert, Kino statt Dorftheater. Fitness-Studios statt Turnverein. Andererseits hätten Alte und Arbeitslose heute mehr Zeit für unbezahlte Arbeit, aber ihnen fehlt meist das soziale Umfeld. Die räumliche Distanz zu den Enkeln ist größer geworden. Sie sind, um es mit Keynes zu sagen, «nicht mehr mit der Heimat verwurzelt.»

Der Zeitraffer macht etwas klar, was bei kurzfristigen Überlegungen untergeht. Bezahlte und unbezahlte Arbeit stehen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander: Erstens konkurrieren sie um das Zeitbudget von – sagen wir – 16 produktiven Stunden pro Tag. Davon beansprucht in Deutschland die bezahlte Arbeit etwa 17% (Bezogen auf das Zeitbudget der 18 bis 69-jährigen) und die (offizielle ausgewiesene) unbezahlte Arbeit 23%. Die Einteilung des Zeitbudgets wird aber immer mehr von den Erfordernissen des flexibilisierten Arbeitsmarktes diktiert. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die unbezahlte Arbeit (zumindest in Deutschland) deutlich schneller abnimmt als die bezahlte.

Die zweite Konkurrenzsituation bezieht sich darauf, dass beide Arbeiten von völlig gegensätzlichen Antriebssystemen gesteuert werden. Bezahlte Arbeit beruht auf Konkurrenz und Wettbewerb, die unbezahlte Arbeit mehr auf Solidarität und Gemeinsamkeit.

Keynes hat diesen Aspekt völlig ausgeklammert. Nach dem Motto, mach es wie die Sonnenuhr, zähl die bezahlten Stunden nur, hat er Arbeit mit Lohnarbeit gleich gesetzt. Sein Verweis auf den «alten Adam» deutet zwar darauf hin, dass er zumindest ahnte, dass Arbeit auch einen Nutzwert hat, aber er vertraute darauf, dass sich spätestens bei den Enkeln die rein ökonomische Sicht durchsetzt. Danach ist Arbeit ein reiner Kostenfaktor, dem der Nutzen der Freizeit gegenüber steht. Nach dieser Logik nimmt die optimale Arbeitsmenge mit steigender Produktivität ab – bis zur 15-Stundenwoche und darunter.

Der Selbstwert der Arbeit

Doch Arbeit hat eben auch einen Selbstwert. Die marktwirtschaftliche Logik allein hilft da nicht weiter. Vielmehr braucht es eine Theorie der sozialen Koordination aller produktiven Tätigkeiten. Zu Keynes Zeiten gab es eine solche noch nicht. Der Meister musste sich mit vagen Andeutungen begnügen: «Wir sind von der Natur ausdrücklich zu dem Zweck entwickelt worden, mit aller unserer Antriebskraft und unseren tiefsten Trieben, das wirtschaftliche Problem zu lösen.»

Heute wissen wir dank den Bemühungen der Ethnologie, Anthropologie, Hirn- und Evolutionsforschung und der experimentellen Ökonomie über unsere «tiefsten Triebe» wesentlich besser Bescheid. Hier sind die wesentlichen Erkenntnisse: Zunächst: Die Größe der Gruppe, in der man zusammenlebt und arbeitet ist ein Überlebensvorteil. Man kann sich gegenseitig aushelfen. Laut dem britischen Anthropologen Robin Dunbar gilt: Je größer das Gehirn, desto größer die Gruppe. Deshalb ist unser Gehirn in hohem Maße auf sozial programmiert. Physischer und sozialer Schmerz werden vom Gehirn genau gleich behandelt. Geben macht – in vielen Experimenten – seliger als Nehmen, es löst eine stärkere Reaktion im Belohnungszentrum aus. Um den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken, gibt es das «Gen» der starken Reziprozität, das Bedürfnis, Trittbrettfahrer selbst dann zu bestrafen, wenn es uns – materiell – schadet. Ernst Fehr und andere haben mit ihren Experimenten gezeigt, dass der Wille, etwas zum gemeinsamen Wohl beizutragen, grundsätzlich größer ist, wenn sich die Teilnehmer kennen, doch selbst in diesem Fall, nimmt die Bereitschaft zur Kooperation rapide ab, sobald Bestrafung nicht mehr möglich ist.

Leben in großen Gruppen bedeutet Stress, der abgebaut werden muss. Zu diesem Zweck verbringen Menschen und Primaten täglich etwa zwei Stunden mit der Pflege von sozialen Kontakten. Die Evolution investiert also rund ein Achtel unserer wachen Zeit für den Abbau von sozialem Stress. Wir müssen davon ausgehen, dass sie sich dabei etwas gedacht hat.

Dem Anthropologen Alan Page Fiske von der University of California, verdanken wir einen weiteren wichtigen Einblick in unsere soziale Programmierung. Danach haben sich grundlegende Verhaltensmuster für die Koordination gemeinsamer produktiver Tätigkeiten herausgebildet. Das macht die Aktionen der Anderen berechenbar und erleichtert die Orientierung. Gemäß Fiske gibt es vier solcher Grundmuster. Die Gemeinschaft (Community Sharing) und die Hierarchie (Authority Ranking) kommen bei allen Säugetieren vor und bilden auch bei uns das Fundament der sozialen Beziehungen innerhalb der Familie und der Sippe. Bei einigen Primaten kommt drittens noch die Gegenseitigkeit (Equality Matching) dazu. Das Prinzip von Auge um Auge, Zahn um Zahn gehört ebenso in diese Kategorie, wie der Gabentausch. Das Equality Matching regelt vor allem die Beziehungen – und damit auch die Arbeitsteilung – zwischen Familien, Stämmen und Ländern.

Der Marktmodus – eine Frage der Dosierung

Die vierte, evolutorisch jüngste und nur dem Menschen vorbehaltene Modalität ist der Marktmodus (Market Pricing), also der Austausch gegen Geld. In diesem vierten Modus sind soziale Verpflichtungen nicht in permanente soziale Kontakte eingebettet, sondern beruhen auf einem Rechtssystem und entstehen oft durch einen einmaligen punktuellen Akt. Und sie können beziffert werden. Du schuldest mir 1000 Euro. Nach Schätzungen von Evolutionsforschern ist das «Markt-Gen» etwa 10‘000 Jahre alt. Es hat sich aus dem Ackerbau und der Sesshaftigkeit entwickelt, die erstmals die Möglichkeit geschaffen haben, größere Vorräte anzulegen und diese zu belehnen.

Der Marktmodus hat einen großen evolutionären Vorteil: Er ermöglicht eine hohe Spezialisierung über die Landesgrenzen hinweg. Jeder und jede macht nur noch das, was er oder sie am besten kann. Zudem organisiert der Markt einen Wettbewerb, der alle Bewerber zwingt, die jeweils kostengünstigste Technologie anzuwenden. Damit sind rasche Produktivitätsfortschritte programmiert. Da im Markt alle Güter und Leistungen einen Preis haben, kann man Äpfel und Birnen, Finanzdienstleistungen und Feldarbeit gleichnamig machen und – zum BIP – addieren. Teilt man dieses durch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, nennt man das «Produktivität». Sie galt schon zu Keynes Zeiten als der Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft.

Die Evolution hat unsere Wirtschaft (verstanden als Summe aller produktiven Tätigkeiten) mit einer Prise Markt aufgepeppt. Doch zu viel Markt ist ungesund. Eine Gesellschaft kann nicht funktionieren, wenn jeder gegen jeden im Wettbewerb steht. Zu viel Stress überfordert das Immunsystem. Die evolutorische Fitness hängt von der richtigen Dosierung ab. Um diese zu finden, muss man die Schwächen des Marktes im Auge behalten. Zu diesem Zweck muss man den Marktmodus mit seinem natürlichen und historischen Konkurrenten vergleichen, mit der geldlosen Selbstversorgung.

Diese beruht auf einem simplen Prinzip: Bedürfnisse erkennen, gemeinsam tätig werden, sich dabei – und bei der Beuteteilung ‒ vom sozial programmierten Gehirn leiten lassen. Produktionsgemeinschaft und Konsumgemeinschaft sind in der Selbstversorgung identisch. Das minimiert den Koordinationsaufwand. Im Marktmodus reagieren wir nicht auf die eigenen Bedürfnisse, sondern auf die Nachfrage der Anderen. Die Bedürfnisse brauchen den Transmissionsriemen des Geldes (der monetären Nachfrage), um produktive Handlungen auszulösen. Das ist im besseren Falle umständlich und im schlimmeren Fall verliert der Markt die Bedürfnisse aus den Augen und wird zum Selbst- und Irrläufer.

Marktgesellschaft im Dornröschenschlaf

Beginnen wir mit dem besseren Fall: Keynes hat den Arbeitsbedarf seiner Enkel wohl auch deshalb unterschätzt, weil er nicht ahnte, wie sehr sich der Markt mit sich selber beschäftigen kann. Vieles von dem, was heute zum BIP addiert wird, dient bloß der Bewältigung der vom Markt verursachten Komplexität. Im Marktmodus lohnt es sich, Bedürfnisse erst einmal aufzuschieben, um stattdessen Geldreserven anzulegen. Deshalb braucht es Werbung, nicht nur für Luxusgüter, sondern auch für den Grundbedarf. Beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé etwa kommen auf 100 Euro eigentliche Herstellungs- und Produktkosten noch 45 Euro Marketing und Verwaltung.

Auch der Finanzsektor verschlingt Ressourcen. In der Schweiz etwa beansprucht er (inklusive Vorleistungen) rund 15% des BIP.  Von den Gesundheitskosten wird ein immer größerer Teil durch Arbeitsunfälle und Stress bei der Arbeit ausgelöst. In den USA dienen 22% aller Jobs der Überwachung und Kontrolle: Polizei, Militär, Sicherheitspersonal, Ladendetektive, Vorgesetzt mit reiner Kontrollfunktion etc. Auch die immer länger werdenden Arbeitswege, die ständigen Umzüge wegen Jobwechsel (in Zürich wird jedes Jahr jede fünfte Wohnung neu belegt), die ausufernde private und öffentliche Arbeitsmarktbürokratie etc., das alles generiert bezahlte Arbeitszeit. Dass dies nicht wirklich zum Wohlstand beiträgt, fällt uns gar nicht mehr auf, denn inzwischen dient das BIP in der öffentlichen Wahrnehmung ohnehin nur der Beschäftigung und nicht dem Wohlstand.

Im schlechteren Fall kann der Markt die Bedürfnisse sogar ganz aus den Augen verlieren. Das zeigt sich vor allem jetzt im Zeitalter des ungeschützten Standortwettbewerbs: Wer die tiefsten Löhne und Steuern verlangt, gewinnt. Im Standortwettbewerb erwirbt man Kaufkraft, indem man den Gürtel enger schnallt und die eigenen Bedürfnisse unterdrückt. Doch des einen Verzicht ist des anderen Gewinn. Damit fällt die Kaufkraft dort an, wo die Bedürfnisse längst gedeckt sind, während umgekehrt viele Bedürfnisse mangels Kaufkraft nicht mehr angemeldet werden können. In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit etwa sind zwar die Bedürfnisse offensichtlich: Hunger, verlotterte Häuser, fehlende Infrastruktur, schlechte Schulen, Kriminalität etc. Doch die Marktgesellschaft hat die Fähigkeit verloren, aktiv auf die eigenen Bedürfnisse zu reagieren. Dornröschen muss darauf warten, vom Prinz der externen Nachfrage wachgeküsst zu werden. Das ist aus evolutionärer Sicht kein intelligentes Arrangement.

Blenden wir kurz zurück zu den Jäger und Sammler. Hätten sie den Marktmodus schon gekannt, wäre die Jagd so organsiert worden: Chef zur Truppe: «Hallo Leute, wir haben eine Jagd, ich brauche aber nur jeden zweiten und ich nehme die, die den kleinsten Teil der Beute beanspruchen. Wer fordert weniger?» Zum Glück hat die Evolution den Marktmodus erst viel später erfunden. Wir hätten es damals nicht überlebt.

Schreien vor Glück?

Nächster Schwachpunkt: Im Marktmodus zählt nur das Ergebnis. Das Belohnungssystem der Natur jedoch honoriert auch die Anstrengung. Damit der Mensch auf der Jagd durchhält, hat uns die Evolution so programmiert, dass uns auch das gemeinsame Jagen an sich Spaß macht, auch wenn die Beute entwischen sollte. Deshalb organisiert man sich in der Selbstversorgung die Arbeit so, dass sie auch Spaß macht. Im Marktmodus wird der Spaß an der Arbeit wegrationalisiert. Glücksforschung macht das Ausmaß der Verluste sichtbar. Sie misst den Ergebnisnutzen, die Freude am Produkt, und vergleicht ihn mit dem Prozessnutzen, der oder dem Leid an der Arbeit. Die Tendenz ist klar: Je mehr wir uns der Sättigungsgrenze nähern, desto unwichtiger wird der Ergebnis- im Vergleich zum Prozessnutzen. Der Frust des Zalando-Kurier ist größer als die Freude des Zalando-Kunden über das 50. Paar Jeans.

Schreien vor Glück? Nein, Ware zurück!

Unter dem Strich heißt das: Der Markt ist an der Sättigungsgrenze gescheitert. Unsere Gesellschaft leidet unter einer Überdosis Markt. Eine Korrektur ist aber aus drei Gründen schwierig. Erstens fehlt der amtierenden Ökonomik das intellektuelle Instrumentarium, mit denen es die Schwächen des Marktes analysieren könnte. Zweitens hat der Markt seine eigenen Realitäten geschaffen. Die Unternehmen können sich seinen Zwängen nicht (oder nur in beschränktem Ausmaß) entziehen. Drittens: Ohne Geldeinkommen können wir nicht überleben. Ein bezahlter Job ist – zumindest für erwachsene Männer – das Eintrittsbillett in die Gesellschaft.

Was bedeutet das nun für die konkrete Wirtschaftspolitik?

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